Was denken Männer eigentlich, wenn sie schweigen?
Es ist schlichtweg der Klassiker unter all den Krisen-Auslösern: Die Frau spricht und spricht ununterbrochen und er……..schweigt.
Diese oder ähnliche Situationen kennen wir alle aus eigener Erfahrung . Sie fragt viel, und er sagt nichts. Was genau dahinter steckt, kann man pauschal nicht beantworten. Doch erstmal das Wichtigste vorneweg: Wenn wir nichts sagen, dann wollen wir damit in der Regel meistens nichts sagen. Wir sind auch nicht beleidigt und wir wollen euch Frauen auch nicht mit unserem Schweigen bestrafen. Wir haben manchmal einfach nichts zu sagen und fühlen uns aber dennoch wohl in unserer Haut. Um ehrlich zu sein: Die meisten von uns haben das Reden nie gelernt. Von wem auch? Von unseren Vätern, die meistens nie da waren. Sie machten vieles, was sie bewegte mit sich selber aus.
Warum der Mann so ist wie er ist – oder – Wie Männer ticken
Auf die Frage: „Wie geht es dir?“ haben die wenigsten Männer eine wirkliche Antwort. Sie haben den Kontakt zu ihrer eigenen Gefühlswelt verloren, schreibt der bekannte Psychotherapeut und Männerforscher Björn Süfke. Die männliche Seele ist ein „unbekanntes Land“ – nicht nur für Frauen, sondern auch häufig für die Männer selbst. Viele meiner Geschlechtsgenossen verdrängen, rationalisieren, flüchten sich in ihre Arbeit – um ja nicht mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu geraten.
Wie geht es dir?
Für alle Männer, die mit einer Frau zusammenleben, ist es der Alltag: Man kommt von der Arbeit nach Hause, hat sich kaum hingesetzt und da lauert sie schon die Frage: „Schatz, wie war dein Tag?“ Oder sie fragt auch: „Wie war es bei der Arbeit?“ Doch all die Fragen laufen auf die Frage aller Fragen hinaus: „Wie geht es DIR?“ Denn sie will ja nicht wirklich hören, wie viele Akten wir heute bearbeitet haben, oder wie viele Autos wir repariert haben. Sie meint es überhaupt nicht böse, noch will sie uns damit in die Enge treiben. Viele Frauen sind der Auffassung, dass sie uns Männer eine einfach zu beantwortende Frage stellt wie in etwa: „Wie bedient man eigentlich den Fernseher?“
Auf jeden Fall sitzt man erst einmal da und versucht durch einen Schluck Kaffee etwas Zeit zu gewinnen, aber egal wie, man muss sich jetzt entscheiden.
- Ignorieren und das Thema wechseln: „Weißt du, ob heute die Bayern spielen?“
- Sich irgendetwas in den Bart murmeln in der Hoffnung, dass es damit erledigt ist.
- Mehr oder weniger allgemeine Floskeln benutzen: „Na ja, geht schon!“ oder „Muss ja!“
- Oder man nimmt die Frage ernst und denkt darüber nach und kommt nach einer Weile des Nachdenkens zur Erkenntnis, dass man ja schließlich in den letzten 10 Stunden Arbeit keine wirkliche Antwort auf die Frage: „Wie geht es dir?“ haben kann.
Bei vielen Männern stellt sich dann nach einiger Zeit des in sich Hineinhorchens ein Gefühl der Leere, ein Gefühl von Traurigkeit, darüber ein, dass man keine Antwort auf eine eigentlich so wichtige Frage wie nach der eigenen Befindlichkeit hat. Und vielleicht entsteht auch so etwas wie Neid auf die Partnerin, die vermutlich auf alle wissenschaftlich erforschten Grundemotionen, die sie selbst an diesem Tag erlebt hat, eine Abhandlung verfassen könnte.
Mal ehrlich: Wer von uns Männer entscheidet sich für die Option 4 und zieht sie dann auch noch konsequent durch, indem er etwa sagt: „Ich weiß es nicht, ich weiß gerade wirklich nicht, wie es mir geht!“ und fügt vielleicht noch hinzu: „Jetzt, wo du fragst, bin ich etwas hilflos und auch traurig, dass ich doch auf eine so wichtige Frage keine Antwort habe. Die meisten von uns würden sich doch mit einer der Optionen 1 bis 3 zufrieden geben.
Die Frage, wie es uns geht und wie wir uns fühlen, ist für die meisten von uns eine besonders schwierige Frage, da sie uns doch in der Kindheit und Jugend doch weitestgehend abtrainiert wurde mit solchen Standardsätzen, wenn wir uns mal beim Spielen die Knie aufgeschlagen haben: „Komm, es ist doch nicht so schlimm!“ oder auch: „Ein Indianer kennt keine Schmerzen!“ oder auch so was wie: „Was uns nicht tötet, macht uns nur härter!“ Damit hat man uns schlichtweg den Weg zu unseren eigenen Gefühlen abgeschnitten. Und zudem bleibt dieser fehlende Kontakt zur eigenen Innenwelt den meisten im Erwachsenenalter weitgehend verschlossen.
Ohne Gefühle geht nichts
Kürzlich las ich im Internet auf einer dieser lustigen und unterhaltsamen Männer-Frauen-Seiten sinngemäß die folgende Antwort auf die Klassiker-Frage, warum Männer nicht über Gefühle sprechen: „Männer sprechen in emotional intensiven Momenten durchaus über Gefühle, wenn etwa der Motor streikt oder das Bier alle ist. Aber ansonsten, wenn solche Momente nicht gegeben sind, fühlen sie einfach nichts – und sind deswegen irritiert, wenn sie über dieses Nichts sprechen sollen…….
Die Schwierigkeit, über eigene Gefühle sprechen zu können, ist für viele Männer ein ernstzunehmendes Problem und dieser fehlende Zugang kann sogar als generelles Grundproblem der männlichen Identität angesehen werden. Viele Männer glauben und vielleicht auch einige Frauen, dass wenn sie nicht „ständig rumheulen“, dass sogar eine Qualität sein könnte, auf das sie stolz sein könnten. Diese Wahrnehmung gehört wahrscheinlich dann eher in die „Macho-Ecke“ und ihren Anhängerinnen.
Und genau darum geht es mir in meiner Arbeit mit Männern. Sie darin zu unterstützen, sich mit dieser Frage: „Wie geht es mir?“ auseinanderzusetzen. Im weitesten Sinne geht es um die allumfassenden Fragen: >Was erwarte ich vom Leben?< oder >Welche Bedürfnisse habe ich und wie kann ich sie befriedigen?< Im nächsten Schritt geht es um das Wie. Also wie finde ich einen geeigneten Umgang mit meinen Gefühlen.
Ohne Gefühlswahrnehmung keine Bedürfnisbefriedigung
Es ist doch allerdings eher naheliegend und plausibel, dass das Lebensglück eines Menschen davon abhängt, ob seine grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden. Wie aber kann ich meine Bedürfnisse vernünftig befriedigen, wenn ich sie nicht er-fühlen kann. Denn meine Gefühle liefern mir konkrete Hinweise darauf, welche meiner Grundbedürfnisse nicht oder nicht ausreichend befriedigt sind. Und gerade uns Männern fehlt sehr häufig diese zentrale bewusste Wahrnehmung von Gefühlen.
Ohne Gefühlswahrnehmung keine Handlungsplanung
Hinzu kommt, dass unsere Gefühle auch für unsere Handlungsplanung wichtig sind, denn sie geben uns wichtige Impulse dafür, wie wir uns in der ein oder anderen Situation verhalten sollten. Wären wir bspw. von unseren Ängsten abgeschnitten, könnte dies für uns lebensgefährlich sein. Das gleiche gilt in etwa, wenn wir unsere Wut nicht anständig kanalisieren könnten. So wären wir in einem Streit am Arbeitsplatz völlig überfordert, wenn wir da nicht angemessen handeln würden. Da kenne ich selbst viele Männer, die sich was das anbetrifft sich regelmäßig schaden, weil sie völlig irrational reagieren und so häufig ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil sie Situationen vollkommen falsch eingeschätzt haben.
Ohne Gefühlswahrnehmung keine psychische Gesundheit
Ein guter und gesunder Kontakt zu unserem Inneren ermöglicht es uns eine weitestgehend stabile Psyche zu haben. Eine passende Antwort liefert Carl Rogers, der Begründer der Gesprächspsychotherapie. Für unsere psychische Gesundheit ist es von großem Wert, wenn sich das Bewusstsein in einem Zustand der Übereinstimmung mit den eigenen Impulsen befindet. Diesen Zustand bezeichnet er als „Kongruenz“. Das Gegenteil von diesem pos. Zustand wird demnach als Inkongruenz bezeichnet.
Anlage oder Umwelt? Anlage und Umwelt!
Abschließend noch etwas zum „geschichtlichen“ Hintergrund und der Frage danach, warum Männer im Vergleich zu Frauen einen erschwerten Zugang zu den eigenen Gefühlen haben. Natürlich gibt es anlagebedingte biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Auch wenn alle Menschen zu etwa 99 % genetisch identisch sind, bleibt ein gewisser Spielraum. Und dass die Natur diesen genutzt hat angesichts der Verschiedenheit des einen Geschlechtschromosoms (XX bei Frauen, XY bei Männern) und den daraus resultierenden Unterschieden ist offensichtlich. Mittlerweile liest man in gewissen populärwissenschaftlichen Ausführungen, dass aus einem quantitativen Unterschied ein qualitativer Unterschied wird. Dann wird dann ein bestimmtes Verhaltensmerkmal von Jungs in Konfliktsituationen herangezogen, worin sie ein größeres Aggressionspotential als Mädchen haben. Das führt dann zu folgender Aussage: Jungen sind aggressiv, Mädchen sind vermeidend. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Erbanlagen von Frauen und Männern werden so einzelne Fähigkeiten oder Verhaltensweisen grundsätzlich mit einem Geschlecht verknüpft.
Gen-Analysen fossiler Überreste unserer Vorfahren haben ergeben, dass sich das menschliche Erbgut seit etwa 100 000 Jahren kaum verändert hat. Wenn die genetische Ausstattung also allein (oder auch nur überwiegend) Verhaltens- und erlebenssteuernd wäre, würden wir wahrscheinlich jetzt immer noch um eine Feuerstelle sitzen, Beeren etc. sammeln. An dieser Stelle kann sich jeder sein eigenes Szenario ausmalen. Aber auf jeden Fall macht dieser geschichtliche Hintergrund sehr deutlich, wie einflussreich unsere Umweltbedingungen für die individuelle Entwicklung des Menschen sind. Diese und ähnliche Beispiele vermitteln ein eher einseitiges Bild und eine unzulängliche Beschreibung der Unterschiede zwischen Frauen und Männer.
Mit einer rein einseitigen Betonung biologischer Faktoren bei der Erklärung von Geschlechtsunterschieden würde man zudem gleichzeitig behaupten, dass sämtliche Erziehungsmaßnahmen (Pädagogik und Psychotherapie) vollkommen nutzlos seien. Hier an dieser Stelle seien nur einmal die Einflüsse der Aufklärung und Bildung erwähnt.
Viel interessanter dagegen sind die sozialisatorischen Hintergründe des männlichen Aufwachsens in unserer Gesellschaft, als eine reine Auflistung der genetisch bedingten Geschlechterdifferenzen. Und hierbei sollen die Kompetenzunterschiede zwischen den Geschlechtern außer acht bleiben.
Es geht vielmehr darum, wie sehr die Sozialisationsfaktoren Einfluss auf den Jungen und seiner „Gefühlsvermeidung“ haben und dies schon von Beginn an. Suksessive wird der Zugang zur eigenen Innenwelt nach und nach erschwert. Dadurch dass die Väter in der Vergangenheit sehr häufig durch Abwesenheit glänzten, gab es in der Erlebniswelt kleiner Jungs ein Überangebot an weiblichen Erziehungspersonen (Mutter, Großmütter, Tanten, Erzieherinnen und Grundschullehrerinnnen). Dies hatte zumindest lange Zeit einen erheblichen Einfluss auf die Jungen. Dies beginnt sich Gott sei Dank allmählich durch männliche Erzieher und männliche Grundschullehrer zu verändern. Vergessen möchte ich da natürlich auch nicht zu erwähnen, dass sich zudem eine neue „Väter-Generation“ entwickelt, die sich immer mehr auch ihrer männlichen Aufgaben und Vorbildfunktion bewusst werden und sich stark in die Erziehung vor allem von Jungen, „einmischen“. Dieser Weg muss unbedingt fortgesetzt werden. Wir Männer können die Angst vor unseren Gefühlen loslassen, denn der Weg über unsere Gefühle eröffnet uns eine reich gefüllte „Schatzkiste“.
In meinem Artikel der sich direkt an diesen anschließt, wird es um das Thema: >Der Identitätsverlust des Mannes< gehen.
Vielen Dank fürs Lesen und für einen Kommentar wäre ich Ihnen/Euch sehr dankbar.
Machen Sie es gut!